In Bäumen zuhause
„Wir klettern, um an unseren Arbeitsplatz zu kommen“ Spezielle Kurse, um mit Sägen in luftiger Höhe arbeiten zu können
Der Verschluss des Karabinerhakens schnappt zu, das Sicherungsseil ist gespannt, der Auftrag in luftiger Höhe kann erledigt werden? Mitnichten. Wer als Baumkletterer aktiv werden will, muss nur nicht gewandt sein, er muss seine praktischen und theoretischen Kenntnisse belegen. Die ersten Prüfungen dieser Art fanden jetzt im Hammer Kurpark statt. Beim Kursus dabei waren auch Benjamin Biermeyer aus Soest, Tobias Wilms aus Lohne und Marcelino Estrella aus Ense.
Zuvor hatten die Kandidaten einige Tage lang unter der Anleitung von Tim Schröder von der Münchner Baumkletterschule geübt und dabei gelernt, wie beispielsweise Seile aufgebaut sind, Sicherungsvorschriften (Verhalten bei Arbeitsunfällen) umgesetzt und der Zustand von Bäumen (Bruch- und Standfestigkeit) bewertet werden kann. Doch damit nicht genug: Um überhaupt für diese Tätigkeit in Frage zu kommen, müssen die persönlichen Voraussetzungen vorhanden sein, eine arbeitsmedizinische Untersuchung muss positiv verlaufen sein, zudem müssen die Kandidaten einen Ersthelferschein für Rettungen besitzen.
Wer die Anforderungen des Seilkletterkurses A erfüllt, kann Arbeiten in Bäumen mit mechanischem Werkzeug, etwa Handsägen, erledigen. Schröders Service – er bildet nicht nur aus, sondern klettert selbst noch – ist noch mehr gefragt, seit Städte in Regress genommen worden sind, weil sie ihrer Verkehrssicherungspflicht (etwa Schutz vor abbrechenden Ästen) nicht nachgekommen sind. „Wir klettern, um an unseren Arbeitsplatz zu kommen“, erläutert er, dass nicht der Spaß an diesem Sport im Vordergrund steht, wenngleich gelegentlich eine gewisse Portion Abenteuerlust durchaus zur Motivation seiner Lehrgangsteilnehmer zählt.
Der gelernte Garten- und Landschaftsbauer ist Agrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung, hat diese Zusatzqualifikation in einem halbjährigen „Meisterlehrgang“ erworben. Seine Schüler zahlen etwa 750 Euro für die Teilnahme am Kursus, zusätzlich müssen sie noch etwa 1 000 Euro ausgeben, um die Spezialausrüstung bezahlen zu können.
Wer übrigens Maschinen (etwa Motorsägen) beim Klettern in der Baumbearbeitung benutzen will, muss die Stufen B und C des Seilkletterkursus geschafft haben. Diese Tätigkeit hat nur wenig mit den so genannten Risikofällungen von Bäumen zu tun, die in der Regel vom Hubwagen aus erledigt werden, in dem die Hochgewächse nach und nach abgetragen werden.
„Es kommt drauf an, wo der Baum steht und welche Arbeiten erledigt werden müssen“, will sich Schröder nicht auf einen Preis für seine praktischen Leistungen festlegen lassen. Intensiv wurde abgefragt, was zu tun ist, wenn sich ein Arbeitskollege im Baum verletzt hat – ein genauer Krisenbewältigungsplan nach dem Unfall musste durchgespielt werden. Zum Glück wurde die signalrote Trillerpfeife, die zur persönlichen Ausrüstung der Baumkletterer gehört, nur zu Übungszwecken betätigt. Und Schröder ist noch nie aus einem Baum gefallen.
23.02.2011 Soester Anzeiger